»28.11.2008 Gibraltar 36°07'N; 05°20'W 0930 UTC +1«
Wir haben die Bucht von Biskaya hinter uns gelassen und nehmen jetzt Kurs auf Gibraltar, eine der wichtigsten Seestraßen weltweit. Die Sonne kroch hinter den Bergen des Atlasgebirges hervor und strahlte auf den charakteristischen Felsen von Gibraltar. Der Kapitän machte mich auf eine Delphinschule* aufmerksam, die uns gerade passierten. Hunderte von Tieren sprangen an uns vorbei; das Wasser schien förmlich zu kochen. Es ist ein erhabener Anblick und ich fühle mich privilegiert, so etwas sehen zu dürfen. Man steht einfach da und sinniert vor sich hin, man überlegt sich, welches Ziel sie haben und warum sie es ansteuern und für kurze Zeit bin ich einem Wachtraum verfallen.
In der Straße herrscht reger Verkehr, Fähren kreuzen unseren Weg und eine Menge anderer Schiffe lagen vor den Häfen von Tanger und Gibraltar oder passierten ebenfalls die Meerenge. Obwohl sich das Wetter nicht verschlechtert hat und die Sonne immer noch scheint, hat sich das Wellenbild mit dem Erreichen des Mittelmeers verändert. Das Wetter hat im Tagesverlauf aufgeklart, es regt sich kaum mehr ein Wölkchen am Himmel und dennoch bläst ein steter Wind, der die See zunehmend rauer werden lässt. Die Schaumkronen der Wellen lassen mehr und mehr sich brechende Wellen erkennen, deren Täler tiefer und tiefer zu werden scheinen. Noch verhält sich die Rickmers Shanghai vergleichsweise ruhig aber ein unsere Kiellinie kreuzender Frachter schlägt mächtige Bugwellen, deren Fontänen das ganze Schiff zu überströmen scheinen. Selbst aus dieser Entfernung ist das Stampfen des Schiffes, ein mit unserer Größe vergleichbares, deutlich erkennbar. Der Bug taucht tief in die See hinab und verschwindet für einen kurzen Moment am Horizont in einer gewaltigen Fontäne förmlich unter Wasser.
Ich habe in meinem Lexikon die Artikel bezgl. Gibraltar gelesen und zu meinem Erstaunen festgestellt, dass das Mittelmeer ein um etwa 1,5 Meter tieferes Niveau hat als der Atlantik. Der dadurch entstehende Oberflächenstrom in östliche Richtung und durch die häufig vorherrschenden Westwinde war es für die frühere Schifffahrt keine leichte Aufgabe das Mittelmeer zu verlassen. Später machte man sich eine tiefer liegende starke Gegenströmung zu Nutze, in dem man einen Treibanker benutzte, um sich damit durch die Straße ziehen zu lassen. Die tiefere Gegenströmung treibt große Blasen mit Kleinstlebewesen in den Atlantik auf eine stark abfallende Unterwasserklippe zu, wo sie durch das salzhaltigere Wasser des Mittelmeers über 1000 Meter in die Tiefe stürzen und dort in viele kleinere Blasen aufgeteilt westwärts treiben. Diese Blasen bilden ein Grundnahrungsmittel für Wale und andere Meeressäuger. Das Mittelmeer ist somit quasi die Kornkammer des Atlantiks.
Ferner sind in Gibraltar die einzigen frei lebenden Affen Europas zu Hause. Obwohl Fossilienfunde in Spanien eine frühere, natürliche Affenpopulation auf dem europäischen Kontinent nahe legen, geht der heutige Bestand vermutlich auf den Einfluss des Menschen zurück. Einer Legende zu Folge bliebe Gibraltar solange in britischer Hand, solange es dort Affen gäbe. 1943 war der Bestand dann auf vier Tiere gesunken und Winston Churchill ließ 12 Tiere dort aussetzen. Heute leben dort wieder über 200 Berberaffen und sind hauptsächlich eine Touristenattraktion. Strategisch betrachtet ist Gibraltar ein wichtiger Außenposten Englands. Der Streit zwischen England und Spanien über Gibraltar ist bis heute noch nicht beendet, wenn gleich die Art und Weise, wie er geführt wird, wesentlich humaner und diplomatischer wie in vorangegangener Zeit abläuft. Für den letzten Eklat sorgten Prince Charles und Lady Di, als sie Gibraltar als erstes Ziel ihrer Hochzeitsreise ansteuerten.
Der Österreicher Architekt Michael Prachensky plant das Mittelmeer durch einen Dammbau in der Straße von Gibraltar von den Folgen der globalen Erderwärmung und dem damit verbundenen Anstieg der Weltmeere zu retten. Rettet das Mittelmeer lautet das ehrgeizige und in meinen Augen völlig absurde Projekt. Es bleibt jedoch die Hoffnung, daß dieser Plan niemals in die Tat umgesetzt wird. Wer soll es bezahlen? Die Österreicher? Vermutlich hat Prachensky Angst die Küstenbewohner könnten sich in höhere Gebiete zurückziehen aber so hat Europa zumindest mal einen frei lebenden Affen mehr; Berber hin, Gibraltar her…
Don't jump into pool, when pool is empty...
* Thx Wolfgang B.
~~DISCUSSION:off~~